Medizinischer Durchbruch mit Hirn-ImplantatVollständig Gelähmter kann sich verständigen

Medizinischer Durchbruch mit Hirn-Implantat: Vollständig Gelähmter kann sich verständigen – Bei einer vollständigen Lähmung des Körpers ist auch die Fähigkeit zu kommunizieren betroffen. Die Hoffnung Betroffener, Verwandter und der Medizin könnte in Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer liegen. Experten aus Tübingen gaben bekannt, dass bereits ab dem Jahr 2000 ein Hirnimplantat an einem Patienten mit der Krankheit ALS erprobt wurde. Die Ergebnisse dieses Versuches wurden jüngst im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht. Diese stimmen die Forscher optimistisch.
Die unheilbare amyotrophe Lateralsklerose (ALS) lässt mit der Zeit als sogenannte neurodegenerative Erkrankung das motorische Nervensystem verfallen. Die fortschreitenden Lähmungssymptome berauben Betroffene im schlimmsten Fall der Fähigkeit, sich ihrer Umwelt mitzuteilen, spätestens sobald die Krankheit die Augen betrifft, kann auch ein durch minimale Mimik gesteuerter Computer nicht mehr helfen. Einer der wohl bekanntesten Betroffenen von dieser Erkrankung: der Physiker Stephen Hawking:
Als Hawkings Augenmuskeln versagten, konnte auch er den Sprachcomputer nicht mehr benutzen.
Man spricht dabei vom „Locked-in-Syndrom“, dem „Eingesperrt-sein-Syndrom“.
Davon sind über ALS-Kranke hinaus auch Personen mit bestimmten Hirntraumata oder schweren Schlaganfällen betroffen. Die kognitiven Fähigkeiten dieser Menschen sind mitunter voll vorhanden, doch sie können sich nicht mitteilen. Ein Zustand, den zu behandeln sich die Wissenschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Setzen die herkömmlichen Kommunikationswege für vollständig Gelähmte doch darauf, dass zumindest ein minimales Muskelspiel noch möglich ist.
Ujwal Chaudhary und Niels Birbaumer vom Unternehmen ALS Voice gGmbH benötigten für ihre Methode jedoch keinerlei Muskeln, wie berichtet wird – sie fußt auf ins Gehirn verpflanzten Elektroden. Diese registrieren nicht die Augenbewegungen. Dabei werden jene Gehirnströme gemessen, um vielmehr die menschlichen Gedanken an Augenbewegungen zu nutzen. Der an der Tübinger Fallstudie teilnehmende ALS-Patient erreichte 2017 final das Locked-in-Stadium, er konnte seine Augen somit nicht mehr zur Mitteilung verwenden.
Die Familie des Mannes verständigte daraufhin das Team von Chaudhary und Birbaumer.
Die im Gehirn des Mannes implantierte Schnittstelle wurde seinerzeit mit dem Computer vernetzt. Über Hirnströme konnte der Patient die beiden Angaben „Ja“ und „Nein“ kommunizieren, so vermochte er Buchstaben aus einer Liste auszuwählen. Ein langwieriger Vorgang, der digitale Buchstabierprozess konnte pro Zeichen eine Minute oder länger umfassen. Dennoch: Dem Patienten gelang es dem Bericht zufolge, sich seiner Umwelt in Worten und Sätzen mitzuteilen. So vermochte er etwa zu offenbaren, was er gerne essen würde.
Auch konnte er mitteilen, dass er sich eine häufigere Anwendung von Augentropfen wünschte. Ebenfalls soll es über diesen Kommunikationsweg zu einem Austausch mit seiner Frau und seinem Sohn gekommen sein. Wie das Portal „t3n“ berichtet, entwickelt sich die Forschung bei der Kommunikation mit vollständig gelähmten Personen mehr und mehr in Richtung der Schnittstelle zwischen Gehirn und Computern. Demnach steht diese jedoch erst am Anfang.
Zwei Studien umstritten – mussten zurückgezogen werden
Das Tübinger Team musste etwa feststellen, dass sich sein Patient im Laufe der dreijährigen Fallstudie zunehmend undeutlicher und langsamer mitteilte. Dies geht aus einem Bericht der „New York Times“ hervor. Ein spezifischer Grund dafür konnte nicht ermittelt werden, die Forscher nehmen jedoch an, dass technische Gründe wie etwa Elektroden-Verfall dahinterstehen könnten.
Erschwerend kommt „t3n“ zufolge hinzu, dass der Ruf von Chaudhary und Birbaumer Schaden genommen hat: Zwei frühere Studien zu dem Themengebiet mussten zurückgenommen werden – die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) warf den beiden wissenschaftliches Fehlverhalten vor, die Vorwürfe umfassten unter anderem gefälschte Daten. Die beiden hätten allerdings zu der aktuellen Fallstudie sämtliche Auswertungen und Informationen vorgelegt und diese unabhängig prüfen lassen.
Quelle: t3n.de