35 Jahre nach der KatastropheNeue Kernreaktion im Tschernobyl-Reaktor

35 Jahre nach der Katastrophe: Neue Kernreaktion im Tschernobyl-Reaktor – Rund 35 Jahre liegt die Katastrophe in Tschernobyl zurück, der Reaktor des Kraftwerkkomplexes ruht unter einem Betonsarkophag und einer weiteren Schutzhaube. Nun machen Nachrichten rund um die Stätte der Reaktorkatastrophe die Runde: Wissenschaftler vermelden, dass die Kernspaltungsreaktionen in der Reaktorhalle 35 Jahre nach Explosion wieder begonnen haben.
Demnach haben Sensoren Anstiege von Neutronenmengen registriert. Diese Messfühler überwachen die in den Untergeschossen begrabenen Uranmengen. Der Neutronenanstieg signalisiert eine Kernspaltungsreaktion in einem der nicht mehr zugänglichen Bereiche des Reaktors unter dem Betonsarg. Dabei erfolgt der Anstieg langsam – die Wissenschaftler gehen der Frage nach dem Grund für diese Reaktion nach.
Zudem arbeiten sie an Strategien, wie man dem Risiko eines möglichen Strahlungsaustritts vorbeugen kann.
Der Experte Maxim Saveliev forscht am Institut für Sicherheitsprobleme von Kernkraftwerken in Kiew. Saveliev betonte, dass es „viele Unwägbarkeiten“ gibt, was die letztendliche Lage unter den Überresten der Reaktoreinheit betrifft, fügte aber hinzu: „Wir können die Möglichkeit [eines] Unfall[s] nicht ausschließen“.
Es wird angenommen, dass rund 95 Prozent des ursprünglichen Brennmaterials während der Katastrophe in die Kellerräume des Kraftwerks floss und dort wieder zu sogenannten „festen brennstoffhaltigen Materialien“ (FCM) erstarrte. Ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe wurden die Überreste des Reaktors unter dem erwähnten „Sarkophag“ aus Stahlbeton begraben. 2016 wurde eine rund 1,5 Milliarden Euro teure neue Sicherheitseinschließung installiert.
Zwar haben sich die Neutronenwerte seitdem im Allgemeinen stabilisiert, doch aus einem Bericht des „Science Magazine“ geht hervor, dass sich im fraglichen Raum die Mengen in nur vier Jahren knapp verdoppelt haben.
Der Nuklearchemiker Neil Hyatt vergleicht die Lage unter dem Reaktorraum mit „glühenden Kohlen in einer Grillgrube“. In der Ukraine forscht man an unterschiedlichen Optionen, die FCM zu entfernen – mit Schutzanzügen sind die Strahlungswerte in den unteren geschossen zu gefährlich für Menschen. Eine mögliche Variante, die untersucht wird, stellen Roboter dar, die mit Bor gefüllte Zylinder in die brennstoffhaltigen Materialien einführen und diese so langsam neutralisieren sollen.
Hyatt zufolge könnte der exponentielle Zuwachs der Reaktionen zu einer „unkontrollierbaren Freisetzung von Nuklearenergie“ führen – wobei im schlimmsten Falle der alte „Sarkophag“ Schaden nehmen könnte, was die zweite Sicherheitseinschließung mit „radioaktivem Staub“ füllen würde. Das Thema Tschernobyl ist demnach nicht abgeschlossen und stellt die Wissenschaft vor Herausforderungen.
Quelle: unilad.co.uk