Erfolgreicher Anlauf: Corona-App verzeichnet 6 Millionen Downloads – Am Dienstag ist die Corona-Warn-App des Bundes vom Stapel gelaufen. Nach einem Tag verzeichnet sie bereits sechs Millionen Downloads, wie das Bundesgesundheitsministerium angibt. Der an der Entwicklung der App beteiligte Softwarekonzern SAP spricht sogar von 6,5 Millionen.

Mit der Applikation soll es leichter und rascher gelingen, Infektionsketten nachzuvollziehen und zu verfolgen. Nutzer, die in der App einen positiven Corona-Test teilen, setzen so nachträglich automatisch alle anderen App-Nutzer, zu denen sie Kontakt hatten, in Kenntnis. So können diese wiederum dann einen Test durchführen lassen.

Christian Drosten, Virenexperte der Berliner Charité, erhofft sich einen „guten Effekt“ von der Software – selbst dann, wenn die Nutzerzahlen vergleichsweise niedrig ausfielen. Auch in dem Fall könne „an vielen Stellen ein entscheidender Unterschied“ erzielt werden, sagte Drosten am Dienstag im NDR-Podcast.

Er bezeichnete die App als „entscheidend wichtiges Werkzeug“, damit könnten die Zahlen niedrig gehalten werden. Schließlich komme es bei der Suche nach Kontakten eines Infizierten vor allem auf Geschwindigkeit an. Es gehe wichtige Zeit verloren, so Drosten, müssten da erst Telefonketten losgehen.

Anders sieht das der Epidemiologe Alexander Kekulé von der Uni Halle:

Er hegt die Befürchtung, die App könne zu vielen Fehlalarmen führen. So könne ein Smartphone weder schützende Plexiglasscheiben erkennen noch einen Mundschutz bei der Kontaktperson, wie Kekulé im Podcast von MDR Aktuell unterstrich.

Die Technik registriere zudem nicht, wo sich Menschen begegnet seien, unterscheide nicht zwischen Räumen und unter dem freien Himmel: „Wichtige gefährliche Kontakte können von der App gar nicht festgestellt werden.“ Er erläuterte, dass das Warnsystem erst dann richtig funktionieren könne, „wenn wir auch Angaben über den Raum haben“.

Aus Datenschutzgründen sei dies in der neuen Version aber gar nicht geplant. Kekulé nimmt zudem an, dass die Gesundheitsämter durch die App gar keine Entlastung erfahren würden, wie angekündigt – sie müssen nun zusätzliche Corona-Meldungen nachverfolgen.

Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery findet lobende Worte für die Applikation:

„Ich habe die App geladen und bin davon überzeugt, dass sie ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Pandemie ist“, so Montgomery gegenüber der „Passauer Neuen Presse“.

„Wenn sich die große Mehrheit der Bevölkerung die App herunterlädt und den Empfehlungen folgt, dann kann man davon ausgehen, dass sie weiterhilft“, unterstrich Montgomery. Der Vorsitzende betonte, dass sich mit der Anwendung „Infektionen frühzeitig erkennen und Infektionsherde eindämmen“ ließen. Wichtig sei, wie diese genutzt werde.

Ihren Erfolg werde die Zukunft zeigen, Montgomery hält Kritik an der Applikation für nicht gerechtfertigt, sie sei „im Rahmen des Machbaren das richtige Instrument und ein „wichtiger Baustein, um die Pandemie weiter eindämmen zu können“, die „weiterhin eine Bedrohung“ bleibe.

Unsicherheit herrscht noch beim Thema Hausärzte und Beratungsanfragen, nicht nur wenn es um die App geht.

„Allgemein tauchen in den Hausarztpraxen derzeit vermehrt Fragen zum Thema Testung auf - auch unabhängig von der App, so der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, in der „Rheinischen Post“.

Der „Erklärungsbedarf“ der von der Pandemie ohnehin verunsicherten Patienten in den Hausarztpraxen werde mit der App sicherlich noch einmal zunehmen. Weigeldt empfiehlt Patienten, die durch die App eine Warnung erhalten haben, sich zunächst telefonisch in der Praxis ihres Hausarztes zu melden:

Per Telefon würden die Patienten dann auf eine Weise von ihren Hausärzten aufgeklärt, wie diese es auch bislang bei möglichen Infizierten getan hätten. So werde man medizinische Informationen zu Covid-19, darunter Symptome, Ansteckungsrisiken, hygienische Maßnahmen und Informationen über die Funktionsweise der Tests erhalten.

„Ist der Patient über die App gewarnt, hat er dann auch die Möglichkeit, getestet zu werden“, so Weigeldt.

Die staatliche Corona-Warn-App schlägt auch nach dem Start mit laufenden Kosten zu Buche. Rund 45 Millionen Euro hat der Bund für Wartung, Pflege und Betrieb der Applikation sowie andere Komponenten für 2020 und 2021 veranschlagt. Das Finanzministerium nannte diesen Betrag auf eine Anfrage des Haushaltsexperten der Linken, Victor Perli.

Das Telekom-Tochterunternehmen T-Systems erhält dabei 43 Millionen, Software-Gigant SAP zwei Millionen. Weitere 3,5 Millionen Euro entfallen demnach auf Werbung. 2,5 bis 3,5 Millionen Euro wird der laufende Betrieb kosten – unter anderem wurden zwei Telefon-Hotlines eingerichtet. Die Grund- und Entwicklungskosten der App betrugen laut Bundesregierung bereits 20 Millionen Euro.

Insgesamt betragen die aktuellen Gesamtausgaben also 60 Millionen Euro. Perli kritisierte das Vorgehen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) – dieser hätte diese Zahlen gleich nennen sollen: „In Krisenzeiten muss schnell gehandelt werden. Das darf aber nicht zur Intransparenz des Regierungshandelns führen“, so Perli.

Eine gesetzliche Regelung für den Einsatz der App, die wirkliche Freiwilligkeit sicherstelle und Restrisiken für einen Datenmissbrauch so gut es geht ausschließe, so die Forderung der Linken.

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Quelle: tagesspiegel.de