Liebe auf den zweiten Blick„Steelrising“ im Test für Xbox Series X

„Steelrising“ im Test für Xbox Series X – Zwischen kleinen Indie-Games und millionenschweren Großproduktionen haben sich im Videospielsektor mittlerweile auch sogenannte AA-Titel etabliert, die mit vergleichsweise geringem Budget möglichst Großes zu erreichen versuchen. In diesem Segment fühlen sich die Pariser Entwickler von Spiders wie zu Hause, denen es zuletzt mit dem ambitionierten Open-World-RPG „Greedfall“ gelang, international Aufmerksamkeit zu erregen. Mit ihrem aktuellen Werk „Steelrising“ wagen sich die Franzosen nun in das Haifischbecken der Soulsbornes und finden dazu Inspiration vor der eigenen Haustür.
„Steelrising“ spielt zu Zeiten der Französischen Revolution und Ludwig des XVI. Von daher erleben wir im Spielverlauf auch den berühmten Sturm auf die Bastille, allerdings nimmt man es mit der Geschichte nicht ganz so genau. Das Action-Rollenspiel ersinnt nämlich eine alternative Realität, in welcher der König sich einer Armee von Automaten genannten Maschinenwesen bedient, um das aufgebehrende Volk zu unterjochen, und Paris dabei in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt.
Ausgerechnet seine Frau Marie Antoinette möchte dem grausamen Treiben ein Ende setzen. Mit dem Auftrag, den Schöpfer der Automaten zur Rede zu stellen, schickt sie ihren persönlichen Leibwächter in die Stadt – einen Automaten namens Aegis, der ursprünglich als Tänzerin konzipiert für Unterhaltung sorgen sollte, nun aber als einziges Automatenwesen über eine Stimme und ein Bewusstsein verfügt.
Eine äußerst spannende und vor allem herrlich unverbrauchte Prämisse, die „Steelrising“ hinsichtlich der Gestaltung einen ganz einen Charme verleiht, in Sachen Storytelling allerdings verpufft. Denn der an sich interessante Plot verliert sich bald in einer ganzen Reihe an Verknüpfungen und verwirrend ähnlich klingenden Namen, so dass dem roten Faden im Rahmen der eher mäßig inszenierten Cutscenes kaum noch zu folgen ist.
Generell darf man bei einem AA-Titel natürlich keine Grafikwunder erwarten, allerdings tut sich „Steelrising“ bereits mit seiner optisch ernüchternden In-Game-Introsequenz und vor allem dem faden Tutoriallevel keinen wirklichen Gefallen. Die Gesichtsanimationen der Menschen hat man so auch schon vor zwei Konsolengenerationen gesehen, und das zu durchquerende Heckenlabyrinth ist so einseitig gestaltet, wie es klingt.
Doch der erste Eindruck täuscht, denn wem das Spiel an diesem Punkt noch nicht verloren hat, der erlebt eine außerordentlich clever gestaltete Interpretation des dieser Tage so beliebten „Souls“-Genres. Gemeint sind knüppelharte Games, in denen es zur Tagesordnung gehört, dass selbst Standardgegner einen aus den Latschen hauen können, wenn man einmal nicht aufpasst.
Ungewöhnlich in diesem Genre und aus Sicht vieler ein Sakrileg: „Steelrising“ bietet einen in mehreren Stufen zu justierenden Hilfsmodus, den wir mit Blick auf den Spielspaß jedoch nur wirklich äußert unbegabten Zockern empfehlen würden. Zumal „Steelrising“ vergleichsweise einfach ist.
Wie bei den großen Vorbildern „Dark Souls“ und vor allem auch „Bloodborne“ aus dem Hause From Software, sammelt man auch in „Steelrising“ Erfahrungspunkte, die man an in den Leveln verteilten Speicherpunkten in bessere Charakterwerte oder Ausrüstungsgegenstände investieren kann. Was drüben die Seelen sind, ist hier eben die Anima-Essenz, aus Lagerfeuern werden mechanische Stühle in einem Käfig.
Zwar füllt sich bei der Nutzung der fair verteilten Speicherpunkte Aegis’ Vorrat an Heiltränken wieder auf, allerdings erwachen auch sämtliche zuvor besiegten Gegner – von den Obermotzen einmal abgesehen – erneut zum Leben. Sterben wir, verlieren wir unsere bis dahin gesammelte Anima-Essenz, haben aber die Chance, diese wieder einzusammeln, so wir auf dem Weg dorthin nicht erneut sterben.