Superhelden-Action mal anders„Marvel’s Midnight Suns“ im Test für PS5 und XSX
Der Aspekt der sozialen Interaktion umfasst Unmengen an Gesprächen.
Die Dialoge sind fraglos gut geschrieben und beweisen ein beeindrucktes Maß an Kenntnis des Quellmaterials. Wer sich mit dem Marvel-Comic-Universum auskennt, wird immer wieder Querverweise auf alte Abenteuer entdecken. Alle anderen können relevante Informationen einfach erfragen, wenn sich unsere Mitbewohner mit ihren Sorgen und Nöten mal wieder an uns richten, diverse Clubs gründen, an denen wir teilnehmen können, oder auch einfach nur mit uns abhängen wollen.
Mit all den Stationen, die es nach dem Kampf abzuklappern gilt, gestaltet sich die Zeit zwischen den Gefechten zuweilen jedoch recht zäh. Wir haben uns bald dabei ertappt, wie wir die Planung einer Geburtstagsparty flott durchgeklickt haben. So interessant die Verhältnisse der Figuren zueinander und die vielen Konflikte in den Dialogen auch eingefangen sein mögen, wirkt vieles davon dann doch äußerst banal und bremst die Dynamik des Spielgeschehens aus.
Eigentlich wollen wir doch nur in den Kampf, doch lediglich einer ist uns pro Tag gestattet, so dass wir jedes Mal zunächst die immer gleiche Tag- und Nachtroutine aus Ausrüstungs- und Fähigkeitsmanagement und Gesprächen absolvieren müssen – und das wird mit weiteren Stationen und Helden im Laufe des mit 50 bis 60 Stunden nicht geraden kurzen Spiels zunehmend müßiger.
Auf der technischen Seite weiß „Marvel’s Midnight Suns“ die Fähigkeiten der Helden auf dem Schlachtfeld effektvoll in Szene zu setzen und den Flair der Vorlage gekonnt einzufangen – wenn auch in einem kleinen Maßstab. Das Spiel will episch sein, die Figuren wirken nicht zuletzt aufgrund der hölzernen Mimik und Animationen jedoch ein wenig wie Marionetten, die Kampfarenen wie Dioramen.
Alles hat irgendwie einen gewissen Spielzeugcharakter, was wir ganz sympathisch finden.
Grafischer Bombast sieht aber fraglos anders aus, erst recht, wenn man bedenkt, dass es beim Erkunden der Abtei immer wieder zu deutlichen Einbrüchen in der Bildrate kommt. In dieser Hinsicht geben sich die verschiedenen Konsolenversionen nichts, zumal das DualSense der PS5 keine nennenswerte Beachtung findet. Dafür wartet „Marvel’s Midnight Suns“ mit einer großartigen Musikuntermalung und einer kompletten deutschen Vertonung des wie erwähnt gigantischen Skripts auf.
Die meisten Sprecher machen ihren Job gut, ausgerechnet unser männlicher Hunter hat uns ob seiner Lustlosigkeit jedoch verzweifelt nach einer Möglichkeit suchen lassen, doch noch eine Frau zu spielen. Kurioserweise lassen sich außerdem die Untertitel nicht deaktivieren – einmal patchen, bitte.
Fazit:
Ein erfrischend anderes Marvel-Spiel: Das im Vorfeld kritisch beäugte „Midnight Suns“ ist abermals ein Beweis für die rundenstrategische Expertise der Macher, denen wir schon die legendäre „X-COM“-Reihe zu verdanken haben. Der Zufallsfaktor des kartenbasierten Kampfsystems steht den faszinierend komplexen und enorm spaßigen Strategiegefechten nicht im Geringsten im Wege, die rasch eine förmliche Suchtwirkung ausüben.
Zwar gestaltet sich die Zeit zwischen den Kämpfen in der Hub-Welt ob des kleinteiligen Figuren-Managements und der zuweilen sehr zähen und banalen sozialen Interaktion auf Dauer ziemlich monoton und sogar mühselig, allerdings werden hier auch der Rollenspielaspekt und vor allem der inhaltliche Hunger mehr als gestillt.
Die Macher beweisen eine profunde Kenntnis der Vorlage und sorgen damit für diverse Aha-Momente selbst unter eingefleischten Comic-Fans. Alle anderen lassen sich beim Abhängen mit den sympathischen Figuren einfach abholen und für eine lange Spielzeit tief in das Universum entführen. Kleinere technische Macken fallen dabei kaum auf.
„Marvel’s Midnight Suns“ ist für PlayStation 5, Xbox Series und PC erhältlich. Versionen für die PS4 und Xbox One sollen folgen.