"Maneater" für PS4, Xbox One, PC und Nintendo Switch – Trifft man in einem Videospiel auf einen Bullenhai, ist die Sachlage meist klar. Schließlich fällt der Carcharhinus leucas doch üblicherweise in die Gattung eines typischen Gegners. Im kommenden – Achtung: Wortspiel – ShARkPG „Maneater“ wird der Spieß jedoch umgedreht. Hier schlüpft nämlich der Spieler in die schuppige Haut eines ehrfurchtgebietenden Raubfisches, um blutige Rache am Menschen zu üben. Klingt nach einem morbiden Spaß der etwas anderen Art, weshalb wir uns auch nicht lange bitten ließen, als man uns zur Anspielsession nach München einlud.

In Erwartung eines spielbaren Trash-Erlebnisses Marke „Sharknado", werden wir von der gelungenen Inszenierung von „Maneater“ direkt positiv überrascht, die sich irgendwo zwischen BBC-Naturdoku und „Fang des Lebens“-Realityformat einpendelt. Uns begleitet nämlich nicht nur die betont sachliche Off-Stimme eines Erzählers, der das Geschehen auf dem Bildschirm mit augenzwinkernder Seriosität wissenschaftlich unterfüttert, wir lernen auch in einem dynamisch geschnittenen Intro den bärbeißigen Fischer Scaly Pete kennen, der in der folgenden Tutorial-Mission Jagd auf uns macht.

In dieser lernen wir zunächst in aller Ruhe, wie man sich durchs Gewässer bewegt, seine Beute mit den Zähnen packt und schüttelt, einen Sprung an die Oberfläche sowie einen Hieb mit der Schwanzflosse vollführt. Ein paar kleine Schildkröten- und Fisch-Snacks später, schießen wir auch schon in angenehm hoher Geschwindigkeit und stilecht mit der Finne über Wasser auf einen Badestrand zu, den wir gleich darauf in ein blutiges Massaker verwandeln.

Arglose Schwimmer beißen wir dabei aus der Bewegung heraus in Stücke, stürzen uns im Sprung auf eine schwimmende Badeinsel und zertrümmern Boote. Das Wasser färbt sich rot, die Badegäste fliehen panisch und an ihre Stelle treten Jäger, die mit Harpunen gegen uns vorgehen. Bis wir uns an die Ausweichrolle gewöhnt haben, verlieren wir durch mehrere Treffer zwar Energie, aber diese kann glücklicherweise jederzeit durch das Vertilgen kleiner oder großer Gegner aufgefüllt werden.

Doch es hilft alles nichts. Am Ende hat uns Scaly Pete am Haken und schneidet der – wie wir nun erfahren – schwangeren Hai-Dame ihr Baby aus dem Mutterleib. Um in dem Zögling eines Tages womöglich einen würdigen Gegner zu finden wird dieser kurzerhand mit einem Schnitt markiert und zurück ins Wasser geworfen. Allerdings nicht, ohne Pete zuvor noch den Arm abzubeißen. Und wie ihr sicherlich bereits ahnt, übernehmen wir nun die Rolle des traumatisierten Baby-Hais.


Als Mini-Predator verfügen wir natürlich noch nicht über die Fähigkeiten und Stärke des Muttertiers, durch das Absolvieren von Missionen und Nebenaufgaben in der offenen Spielwelt leveln wir jedoch immer weiter auf, was in „Maneater“ durch das Älterwerden des Tieres veranschaulicht wird. In den sicheren Hubs der Unterwassergrotten können wir zudem auch unsere Fähigkeiten verbessern, indem wir zum Beispiel die Reichweite des Sonars erhöhen, welches Lebewesen und Fundstücke in der näheren Umgebung sichtbar macht.

Wie wichtig das ist, lernen wir spätestens, als wir viel zu früh einen Kampf gegen eine Gruppe Alligatoren wagen. Ein Unterfangen, das mangels Lock-On Funktion zunächst etwas unübersichtlich wird und ein wenig an den Dogfight zweier Flieger erinnert. Da wir gerne mal am Ziel vorbeischießen, kriegen wir dabei ordentliche was ab und ziehen uns immer wieder zurück, um mit kleinen Fischhappen schnell etwas frische Lebensenergie zu tanken. Nach diversen Fehlversuchen widmen wir uns dann aber doch lieber erst mal den nicht minder angriffslustigen, dafür aber weniger gefährlichen Muskellungen, gehen auf Ressourcenjagd und decken Sightseeing-Spots auf der Karte auf.

Und siehe da, bald reifen wir zum Teenager heran, und zerlegen nun auch Krokodile und sogar die auf der Karte markierten besonders harten Brocken. Derart gereift fühlen wir uns dem Boss des Bayou-Sumpfes gewachsen, eine Riesenalligator-Lady namens Rosie, die wir herauslocken müssen, indem wir ihre Jagdgründe leerfressen.

Originell ist das freilich nicht. Und auch sonst macht das bisher gesehene Missionsdesign einen recht einfallslosen Eindruck. Fresse zehn Fische hier, besiege den Gegner dort, finde Kisten, decke Fragezeichen auf, zerschmettere Schilder. Klingt alles arg nach der ungeliebten Ubisoft-Formel. Von daher wird sich erst noch zeigen müssen, inwieweit die Aufgaben innerhalb der um die 20 Stunden dauernden Kampagne variieren und unterhalten können.

Den kleinen Bullenhai großzuziehen, verspricht allerdings auf jeden Fall unterhaltsam zu werden, wenn man mit dem bewusst trashigen Thema etwas anfangen kann. Freilich ist die Grafik bei einem B-Game nicht auf AAA-Hochglanzniveau, aber sie setzt das Geschehen durchaus schick und angemessen in Szene und der Sound ist sogar richtig gut.

Unterm Strich haben wir mit weit weniger gerechnet und freuen uns nun richtig auf den Release, um endlich auch die anderen Gebiete der Karte unsicher zu machen. Allen voran natürlich den Strand!

Bissig, blutig und bitterböse. „Maneater“ verspricht ein großer Spaß für alle zu werden, die ein Herz für augenzwinkernden Trash haben. Das Thema ist angenehm unverbraucht, die Inszenierung originell und humorvoll. Ob das uninspiriert wirkende Missionsdesign über die gesamte Dauer des Spieles zu unterhalten weiß, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen.

„Maneater“ erscheint am 22. Mai 2020 für Playstation 4, Xbox One und PC. Eine Version für die Nintendo Switch soll Ende des Jahres folgen.