Experte Drosten warnt: „Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns“ – Berliner Virologe Christian Drosten fand kritische Worte angesichts der Herangehensweise Deutschlands während der Corona-Pandemie. Ihm zufolge hat das Land nichts besonders gut gemacht, nur ein paar Wochen früher gehandelt als andere Länder. Im Hinblick auf den Herbst und die Monate danach gibt sich Drosten besorgt.

Im Vorfeld der im Oktober stattfindenden Gesundheitstagung World Health Summit sagte er: „Wir müssen, um die Situation in den kommenden Monaten zu beherrschen, Dinge ändern. Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns.“ Der Tagung zufolge betonte Drosten, Leiter der Virologie der Berliner Charité, dass nun pragmatische Entscheidungen nötig seien.

„Es werden schon Festtagsreden auf den deutschen Erfolg gehalten, aber man macht sich nicht ganz klar, woher er kam“, so der Virologe. Dass Deutschland ungefähr vier Wochen früher reagiert habe als andere Länder, darauf gehe der Erfolg zurück: „Wir haben mit genau den gleichen Mitteln reagiert wie andere. Wir haben nichts besonders gut gemacht. Wir haben es nur früher gemacht.“

Drosten weiter: „Wir waren nicht deshalb erfolgreich, weil unsere Gesundheitsämter besser waren als die französischen, oder weil unsere Krankenhäuser besser ausgestattet sind als die italienischen. Wenn man das jetzt überträgt in den Herbst, dann muss man sich natürlich klarmachen, dass wir auch weiterhin nichts besser machen als andere.“

Deutschland müsse viel differenzierter und genauer auf die Entwicklungen im Ausland schauen. Drosten: „Wir müssen aufhören, uns über so Dinge wie Fußballstadien zu unterhalten. Das ist wirklich komplett irreführend.“ 

Wie die Pandemie weiter verlaufen werde, wisse im Moment niemand genau. Die Möglichkeit bestehe, dass das Ganze nicht mehr so gut zu beherrschen sei: „Dass die Wissenschaft beispielsweise mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen einfach zu langsam gewesen ist“, so der Virologe. Wie sich die Wissenschaft geschlagen habe, werde erst am Ende klar sein.

Drosten betonte: „Denn diese Pandemie ist ja erst mal kein wissenschaftliches Phänomen, es ist eine Naturkatastrophe.“ Es müsse zudem klar sein, dass die Zulassung eines Impfstoffs nicht die sofortige Lösung des Problems bedeute. Bei den Risikogruppen müsse zunächst die Priorität liegen. Er erläuterte:

„Neben der zu erwartenden Verteilungskompetition ist es auch gar nicht so einfach, so viele Vakzinedosen in Flaschen abzufüllen und die dann auch zu verimpfen. Deswegen ist das schon eine Unternehmung fürs ganze Jahr 2021.“ Auch Detlev Ganten, Präsident und Gründer des World Health Summit, äußerte sich in dem Interview.

Es sei eine wichtige Lektion aus der Pandemie für die Zukunft, dass Gesundheit das Wichtigste für den Einzelnen und die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft sei, betonte Ganten: „Wirtschaft, Kultur und all das funktioniert eben nicht mehr, wenn das, was wir als garantiert ansehen, nicht mehr da ist. Ich bin nicht sicher, ob das allen wirklich so klar ist.“

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Quelle: stern.de