Vermögenstudie: Deutschland ist erheblich reicher als bisher angenommen – Gerade in Zeiten der Inflation ist immer wieder die Sprache davon, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Und tatsächlich gehören einer Studie dreier Vermögensforscher zufolge rund 27 Prozent des gesamten Vermögens hierzulande einem Prozent der deutschen Haushalte. Allerdings sei die Datenlage nicht solide und Deutschland offenbar deutlich reicher als gedacht.

Laut den Verfassern der Studie, Moritz Schularick, Thilo Albers und Charlotte Bartels, ließe es sich nicht sicher sagen, ob die Schere zwischen Arm und Reich auch wirklich immer weiter auseinandergeht.

„Es brauchte daher ein langjähriges Forschungsprojekt, um zum ersten Mal die Entwicklung der Vermögen und ihrer Verteilung in Deutschland von 1895 bis heute nachzuzeichnen“, schreiben die Experten.

Legte man eine korrekte Berechnung zugrunde, läge das deutsche Haushaltsvermögen deutlich höher als bisher angenommen.

„Wenn man die Betriebsvermögen nach internationalen Standards bemisst und zudem für die Immobilienpreise die aktuelleren Zahlen der Bundesbank verwendet, dann ist Deutschland gut 4.000 Milliarden Euro reicher als gedacht.“

Dies entspräche dem Gesamtvolumen hinsichtlich der jährlichen Produktion von Gütern und Dienstleistungen in Deutschland.

Gemäß den Autoren der Uni Bonn, der Berliner Humboldt-Universität und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung betrage das durchschnittliche Haushaltsvermögen rund 420.000 Euro.

Das Vermögen des sogenannten Median-Haushaltes, welcher genau der Mitte aller Haushaltsvermögen abbildet, liege hingegen bei 120.000 Euro.

Ein Ungleichgewicht, welches sich mit der Ungleichverteilung erklären lasse, da große Vermögen an der Spitze den Durchschnittswert stark erhöhten.

Das „Handelsblatt“ zitiert die Autoren: „Deutschland ist erheblich reicher, als die offiziellen Statistiken zeigen.“

Allerdings sei der zuvor nicht erfasste Reichtum „nur bei der besser situierten Hälfte der Bevölkerung“ zu finden.

Weiter heißt es, dass der Anteil des reichsten Hundertstels oder Tausendstels der Bevölkerung am Gesamtvermögen in den letzten Jahrzehnten zwar gestiegen sei, verglichen mit historischen Schwankungen jedoch nicht in einem ausgeprägten Maße.

„Die Reichen sind also der Mittelschicht, die fast das gesamte übrige Vermögen hält, nicht enteilt.“

Dennoch verhalte es sich so, dass die obere Hälfte ihr Vermögen seit 1990 verdoppeln konnte, während es bei der unteren Hälfte stagniert.

Im unteren Bereich sei es mit Blick auf den sinkenden Einkommensanteil immer schwieriger geworden, durch Ersparnis Vermögen aufzubauen. Die Mittelschicht hingegen habe seit etwa 2010 von steil ansteigenden Preisen für Immobilien – die für sie wichtigste Anlageklasse – profitiert.

Alles in allem nennen die Ökonomen die wachsende Lücke zwischen dem Vermögen der oberen und der unteren Hälfte der Gesellschaft signifikant.

Albers, Bartels und Schularick betonten deshalb in ihrem Fazit, dass man Konzepten zum Vermögensaufbau für einkommensschwächere Haushalte mit Blick auf den fallenden Anteil der unteren 50 Prozent am Gesamtvermögen deutlich mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte, als weitgehend unbegründeten Sorgen um eine wachsende Vermögenskonzentration an der Spitze.

Quelle: spiegel.de