Studie: Begünstigen E-Zigaretten den Einstieg zum Zigarettenrauchen – Üblicherweise ist die Rede davon, dass E-Zigaretten eine gute Möglichkeit darstellen, von der Sucht nach klassischen Zigaretten loszukommen. Einer aktuellen Studie zufolge könnte aber auch genau das Gegenteil der Fall sein: Nämlich dass E-Zigaretten mit ihren vielen Geschmacksrichtungen eher eine Einstiegsdroge in die Nikotinsucht darstellen.

Im Zuge einer aktuellen Längsschnittstudie werteten amerikanische Wissenschaftler die Daten der letzten vier Jahre einer in den USA regelmäßig stattfindenden bevölkerungsweiten repräsentativen Umfrage in der Altersgruppe der 12- bis 24-Jährigen zum Thema Tabak und Gesundheit aus. Die Frage dahinter war, inwiefern das Ausprobieren verschiedenster Tabakprodukte bei Jugendlichen dazu führt, langfristig zum Raucher zu werden.

Dabei stellte sich heraus, dass Befragte, die E-Zigaretten konsumierten, ein dreimal so hohes Risiko aufwiesen, später täglich Zigaretten zu rauchen. Der Anteil an späteren Rauchern stieg in diesem Falle von drei auf zehn Prozent. Verglichen mit denjenigen, die lediglich ein Tabakprodukt ausprobierten, was das Risiko derer, die mindestens fünf Produkte ausprobieren (wie Zigarette, Wasserpfeife, Zigarillo, Zigarre, rauchfreier Tabak oder E-Zigarette), um 15 Prozent höher.

Zwar geht aus der Studie hervor, dass insbesondere der Konsum von E-Zigaretten das Risiko erhöhe, später täglich Zigaretten zu rauchen, dass diese jedoch auch als Ursache für das spätere Rauchen fungieren, konnte die im Fachjournal „Pediatrics“ erschienene Studie nicht belegen.

Zudem werden die Studienergebnisse von deutschen Experten durchaus kritisch gesehen.

„Erstaunlich ist, dass die Autoren und Autorinnen bei ihren Analysen kaum versucht haben, statistisch für verschiedene Störfaktoren zu kontrollieren, die generell mit dem Substanzkonsum zusammenhängen“, wundert sich zum Beispiel Prof. Dr. Ute Mons, Leiterin der Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Epidemiologie des Alterns an der Uniklinik Köln.

„Da für mögliche Störfaktoren nicht statistisch kontrolliert wurde, ist eine kausale Interpretation, wie sie bei den Autoren zwischen den Zeilen durchklingt, nicht gerechtfertigt.“

Auf Deutschland sieht sie die Daten außerdem nicht übertragbar, „da E-Zigaretten in Deutschland deutlich strenger reguliert sind als in den USA. So gibt es in der gesamten EU beispielsweise eine Obergrenze für Nikotin in E-Zigaretten, die das Suchtpotential der Produkte begrenzt.“

Mons betont jedoch auch: „Nichtsdestotrotz untermauert die Studie die Bedeutung eines effektiven Jugendschutzes in der Tabakprävention. Angesichts des Suchtpotentials des Nikotins gehören E-Zigaretten genauso wenig in die Hände Jugendlicher wie herkömmliche Zigaretten.“

Auch Prof. Dr. Daniel Kotz, Professor für Suchtforschung und klinische Epidemiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf positioniert sich in der Sache klar:

„Es gibt insgesamt keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege dafür, dass E-Zigaretten für Jugendliche und junge Erwachsene ein Einstieg in den Tabakkonsum sind. Wahrscheinlicher ist, dass eine persönliche Grundneigung gegenüber Nikotinprodukten und das soziale Umfeld den Konsum von E-Zigaretten oder Tabak unabhängig voneinander beeinflussen (sogenannte Common Liability-Theorie).“

Ebenso Prof. Dr. Heino Stöver, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF):

„Die Studie ist nicht geeignet, valide Aussagen zur E-Zigarette zu treffen. Hauptschwachpunkt der Studie ist, dass sie die Motive für das Rauchen nicht berücksichtigt. Nach dem heutigen Stand der Forschung besteht kein nennenswerter kausaler Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von E-Zigaretten und späterem Rauchen. Die Forschungslage deutet in die Gegenrichtung: Der Gebrauch von E-Zigaretten kommt bei der Mehrheit der Jugendlichen über ein Experimentieren oder einen gelegentlichen Gebrauch nicht hinaus.“

Prof. Dr. Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel, hält die Untersuchungsbefunde wiederum für höchst plausibel.

„Die Untersuchung weist eine Reihe von Stärken auf, darunter der sehr lange Beobachtungszeitraum sowie die große, repräsentative Stichprobe von fast 16.000 US-amerikanischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“

Zudem können Hanewinkel zufolge folgende Mechanismen dafür ins Feld geführt werden, dass vorheriger E-Zigarettenkonsum späteren Zigarettenkonsum begünstigt:

„Erstens, die Sucht: Sowohl E-Zigaretten als auch konventionelle Zigaretten enthalten Nikotin, das schnell zu einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit führen kann. Zweitens, die Erfahrung: Habituelle und rituelle Vorgänge des Rauchens sind bei E-Zigaretten und Zigaretten nahezu identisch. Der/die KonsumentIn hält sowohl die E-Zigarette als auch die Zigarette in der Hand, führt sie zum Mund und inhaliert den Rauch. Drittens, die Zugänglichkeit: E-Zigaretten und Zigaretten werden über identische Verkaufsstätten vertrieben.“

Hanewinkel plädiert von daher für ein Werbeverbot für E-Zigaretten.

„Studien aus Deutschland belegen, dass E-Zigaretten-Werbung nicht nur von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen wird, sondern dass Kontakt mit der Werbung einen Risikofaktor für das spätere Rauchen von E-Zigaretten und auch Zigaretten darstellt: Intensiver Kontakt mit der E-Zigaretten-Reklame verdoppelt das Risiko des späteren Rauchens. Auch aus diesem Grund sollte sämtliche Werbung für E-Zigaretten aber auch Tabakerhitzer so schnell wie möglich eingestellt werden.“

Quelle: sciencemediacenter.de