Pilotprojekt: Spanien führt probehalber Vier-Tage-Woche ein – Immer mal wieder kommt das Thema „Vier-Tage-Woche“ auf, nur um dann bis zum nächsten Mal wieder in der Schublade zu verschwinden. In Spanien spricht man diesbezüglich jetzt aber Tacheles und startet ein Modellprojekt für ein Jahr.

Das Pferd vor diesem Karren ist Iñigo Errejon, seines Zeichens Chef der kleinen Linkspartei Más País, die sich schon lange für die Einführung einer Vier-Tage-Woche stark macht.

„Spanien gehört zu den Ländern, in denen die Menschen europaweit die längsten Arbeitstage haben. Und dazu ist unser Land nicht besonders produktiv. Warum versuchen wir nicht, weniger Zeit am Schreibtisch zu verbringen, dafür mehr Zeit für schöne Dinge zu haben?“, skandiert Errejon.

Also hat er die Vier-Tage-Woche bei der Regierung beantragt und tatsächlich zumindest ein Modellprojekt bewilligt bekommen

Bereits im Herbst dieses Jahres soll es losgehen. Rund 6.000 Mitarbeiter von 200 hauptsächlich mittleren und kleineren Unternehmen werden dann für die Dauer eines Jahres einen Tag pro Woche weniger arbeiten müssen. Und das bei vollen Gehaltsbezügen!

Dadurch sollen neue Jobs geschaffen werden. Setzen fünf Arbeitnehmer für jeweils einen Tag pro Woche aus, kann das Unternehmen die Lücke mit einer zusätzlichen Vollzeitkraft füllen.

Um die Kosten dafür zu stemmen, stellt der spanische Staat den Betrieben insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung. Da der Haushalt eine derartige Summe nicht hergibt, könnten die nötigen Mittel aus dem Corona-Rettungspaket der EU gestellt werden.

Laut Wirtschaftsprofessor Juan Torres von der Universität Sevilla sei dies nicht weiter dramatisch:

„Klar, wir geben Geld für ein Experiment aus, von dem wir nicht wissen, ob es wirklich etwas bringt. Aber die Kosten sind überschaubar. Sie konkurrieren kein bisschen mit anderen Hilfsleistungen, die in dieser Pandemie ausgezahlt werden. Im Vergleich geht es um einen winzigen Anteil.“

Fürsprecher des Projekts sind sich sicher, dass die Vier-Tage-Woche in Spanien dringend benötigte Jobs schafft. Im Februar hatte die Zahl der Arbeitslosen dort zum ersten Mal seit fast fünf Jahren wieder die Vier-Millionen-Marke überschritten. Seinerzeit ächzte der spanische Arbeitsmarkt unter den Nachwirkungen einer schweren Wirtschaftskrise, heute sind es die Folgen von Corona.

Nun klingt die Idee, ausgerechnet mitten in einer Pandemie die Arbeitszeit zu verkürzen, recht gewagt. „Aber es ist ein guter Moment“, glaubt Juan Torres. „Denn durch Corona müssen wir uns neu erfinden. Sowohl die Unternehmen als auch wir selbst.“

Das Pilotprojekt soll von einer Expertengruppe geleitet werden, welche sich aus Vertretern der Regierung, der Gewerkschaften und auch der Wirtschaftslobby zusammensetzt

Doch gerade aus letzteren Kreisen wird Kritik an dem Experiment laut. Eine Vereinigung von Unternehmern aus der spanischen Region Aragón nennt es gar „Wahnsinn“ und vertritt die Meinung, dass man mehr statt weniger arbeiten müsse, um aus einer Krise rauszukommen.

Am Ende würden aber vor allem junge Spanier profitieren, müssten diese doch oft windige Arbeitsverträge hinnehmen und teils zehn bis elf Stunden am Tag arbeiten. Bei einem Arbeitstag pro Woche weniger hätte man rechnerisch jedoch plötzlich eine Gehaltssteigerung von 20 Prozent.

Allerdings ist es mehr als fraglich, ob die Idee das Modellprojekt überdauert und die Unternehmen nach dem Versuchsjahr weiter mitspielen. Danach wird es nämlich keine staatlichen Zuschüsse mehr geben.

Quelle: br.de