MaskenpflichtWissenschaftler und Politiker warnen vor Aufhebung

Maskenpflicht: Wissenschaftler und Politiker warnen vor Aufhebung – Die coronagebeutelte Bevölkerung hofft auf eine baldige Aufhebung der Maskenpflicht, doch Experten stehen diesem Schritt noch kritisch gegenüber. Sie befürchten, dass ein genereller Verzicht auf den Schutz durch Mund-Nasen-Bedeckungen zu einem erneuten Aufflammen der Pandemie führen könnte.
Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen erklärte gegenüber der der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Wenn wir nach dem Wegfall der Testpflicht in vielen Situationen nun auch noch die Maskenpflicht fallen lassen, sind wir im Grunde in einem ungestörten Leben wie vor der Pandemie.“ Mittlerweile sei das Virus aufgrund der Mutationen aber deutlich infektiöser.
„Warum soll die Pandemie dann nicht wiederkommen?“
Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen sieht es ähnlich: „In der Tat droht – siehe Großbritannien – eine vierte Welle, wenn Maßnahmen sehr weitgehend beendet werden.“
Eva Grill, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, betont ebenfalls die Wichtigkeit, zumindest in Innenräumen auch weiterhin Masken zu tragen: „Es geht hier auch um den Schutz vor ansteckenderen neuen Varianten des Virus.“
Andere, wie der Aerosolforscher Christof Asbach, halten eine Abschaffung der Pflicht im Freien für nachvollziehbar
Einig sind sich die Wissenschaftler darüber, dass die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft deutlich niedriger ist als drinnen. So plädiert auch Gerhard Scheuch, der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, dafür, die Maskenpflicht zunächst für Aktivitäten aufzuheben, die außer Haus stattfinden, wie etwa Zoobesuche, bevor man über den Einzelhandel nachdenkt.
Da dort sehr viel Raum und Luft seien, sei das Ansteckungsrisiko auch in großen Theatern, Museen, Freibädern sowie Schwimm- und Sporthallen vergleichsweise gering. „Da reicht die Aerosolkonzentration kaum aus, um andere zu gefährden.“
Bayerns Ministerpräsident Söder rät zur Zurückhaltung
„Es ist noch nicht absehbar, wie das alles wirkt“, mahnte der CSU-Mann mit Blick auf die zunehmende Anzahl an Partys an Wochenenden, auch im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft. Immerhin sei die Maske eines der wenigen wirksamen Werkzeuge im Kampf gegen die Pandemie.
Söder weiter: „Ich finde es schade, wenn vonseiten des Bundes, ohne jede Zuständigkeit in der Frage und ohne jede Kompetenz, den Ländern da an der Stelle ein Vorschlag gemacht wird.“ Es habe sich bereits in der Vergangenheit als Fehler erwiesen, zu früh zu lockern.
Der Städte- und Gemeindebund pflichtet Söder bei
Laut dem „Handelsblatt“ fordert Verbandschef Gerd Landsberg: „Die Abschaffung der Maskenpflicht muss der letzte Schritt in einer Reihe von Lockerungsmaßnahmen sein.“
Zwar könne man Landsberg zufolge darüber nachdenken, sofern es sich nicht um große und gedrängte Menschenansammlungen handle, im Freien die Masken fallen zu lassen, in „Innenräumen, beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln sollte die Maskenpflicht aber zunächst einmal bestehen bleiben. Wir haben uns in einem Jahr der Pandemie daran gewöhnt, uns selbst und unsere Mitmenschen mit diesem einfachen und wirksamen Mittel zu schützen.“
Auch der Handel bleibt vorsichtig
Stefan Genth, Geschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) sagte dem „Handelsblatt“: „Es muss alles unternommen werden, einen nochmaligen Lockdown zu verhindern. Für den Einzelhandel ist am allerwichtigsten, dass die Öffnungen der letzten Wochen nicht durch überhastete Maßnahmen gefährdet werden und die Pandemie weiter zurückgedrängt wird.“
Zudem hätten sich der Handel und dessen Kunden mittlerweile an die Maskenpflicht gewöhnt. „Sie sollte so lange beibehalten werden, wie sie einen Beitrag im Kampf gegen die Verbreitung von Corona leisten kann.“
Der Lehrerverband hält die Diskussion für verfrüht:
„Es ist eine andere Hausnummer, ob die Maskenpflicht bei niedrigen Inzidenzen abgeschafft wird oder ob jeden Tag zehn Millionen Schülerinnen und Schüler eng an eng nebeneinander auf Schulbänken in wieder vollständig gefüllten Klassenzimmern sitzen“, zitiert das „Handelsblatt“ den Verbandspräsidenten Heinz-Peter Meidinger.
Robert Habeck von den Grünen hält Lockerungen in Außenbereichen zwar für möglich, allerdings gelte es noch, Vorsicht walten zu lassen und an der Maskenpflicht in Läden und öffentlichen Verkehrsmittel festzuhalten.
Christian Lindner von der FDP pocht auf „einen Fahrplan raus aus der Maskenpflicht“:
Via Twitter fordert der Parteichef, dass „die Freiheitseinschränkungen Schritt für Schritt fallen“ müssen, wo sich die Lage entspanne. Im Freien gehöre die Maskenpflicht zudem „schon längstens aufgehoben“.
Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), ist seiner Meinung. Gegenüber der „Rheinischen Post“ erklärte der Mediziner: „In Außenbereichen kann eine Maskenpflicht eigentlich sofort wegfallen.“
Der KBV-Präsident weiter: „Mal abgesehen davon, dass der Sinn dieser Maßnahme schon immer zu hinterfragen war, fehlt mittlerweile dafür nun wirklich jegliche medizinische oder juristische Grundlage.“
Gassen sieht auch in Innenräumen nur noch bedingt Nutzen
Ihm zufolge ergebe eine Maske in Innenbereichen nur dort Sinn, wo viele Menschen auf engen Raum zusammenkämen und nicht klar sei, ob jeder davon auch geimpft ist. Sinken die Infektionszahlen weiter, könne die Maskenpflicht „aber sehr bald überall entfallen“.
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Quelle: spiegel.de