Kahlschlag: Kosmetikhändler schließt alle Filialen in Deutschland – Das Flechtwerk der ungünstigen Umstände in den letzten Jahren zersetzt allmählich nicht nur die Grundlagen der Industrie und Wirtschaft, auch in den Innenstädten gehen immer mehr Geschäfte zugrunde. Jüngstes Opfer des großen Ladensterbens sind die Filialen des französischen Kosmetikunternehmens Yves Rocher, die in Deutschland, Österreich und in der Schweiz allesamt geschlossen werden sollen.

Wie das Unternehmen dem „Spiegel“ zufolge mitteilte, wolle man alle Läden im Laufe der nächsten Monate sukzessive schließen. Betroffen seien von diesem Schritt rund 350 Mitarbeiter, die bereits Mitte März darüber informiert worden seien. Außerdem habe man gemeinsam mit dem Betriebsrat einen Sozialplan festgelegt.

Insgesamt gebe man 140 Filialen auf, von denen einige aber bereits im Zuge der Pandemie hatten geschlossen werden müssen.

Die Frage nach dem Warum beantwortet das Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen. Eine Sprecherin teilte diesbezüglich mit: „Die vergangenen zwei Jahre haben auch uns vor enorme wirtschaftliche Herausforderungen gestellt.“ Das aktuelle Geschäftsmodell erlaube es nicht mehr, nachhaltig und erfolgreich zu wirtschaften.

Die Marke an sich solle aber erhalten bleiben: „Unsere Kundinnen und Kunden finden unsere Produkte auch weiterhin in unserem Onlineshop und können per Direktversand bestellen.“

Damit stellt das Ladengeschäft des Kosmetikkonzerns einen weiteren traurigen Eintrag auf einer immer länger werden Liste der Schließungen in deutschen Einkaufsstraßen dar. Viel Aufmerksamkeit erregte vor einigen Monaten etwa die Aufgabe zahlreicher Warenhäuser von Galeria-Karstadt-Kaufhof.

Auch Schuhhändler Görtz musste Federn lassen, ebenso Reno, die Adler Modemärkte sowie der Modehersteller Gerry Weber.

Nach den schweren Jahren der Pandemie gießt derzeit die anhaltende Inflation Öl ins Feuer dieser beunruhigenden Entwicklung, zehren die hohen Preise doch nun schon seit Monaten an der Kaufkraft der Verbraucher, die eine wichtige Stütze für den stationären Handel darstellt.

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, resümiert entsprechend: „Viele Handelsunternehmen erleben schwierige Zeiten. Zuerst die Pandemie mit Lockdowns, Geschäftsschließungen und Maßnahmen, die die Kundenzahl begrenzten, und nun die Folgen des russischen Kriegs in der Ukraine mit hoher Inflation und schlechter Konsumstimmung.“

Laut Schätzungen des HDE werden alleine in diesem Jahr wohl rund 9.000 Geschäfte für immer ihre Pforten schließen. Zum Vergleich: In einem gewöhnlichen Vorkrisenjahr habe diese Zahl bei um die 5.000 gelegen. Sollte der HDE damit recht behalten, werden es am Ende des Jahres bundesweit nur noch 311.000 Geschäfte sein – 2015 waren es noch fast 373.000.

Am härtesten träfe es dem HDE zufolge kleinere Fachhändler, wie Modeboutiquen, Schuhläden und Bäckereien.

Genth: „Vielerorts wird das dramatische Folgen für die Innenstädte haben. Leerstände nehmen zu, Stadtzentren werden unattraktiver und geraten in eine Abwärtsspirale.“ Von daher bedürfe es nun besserer Rahmenbedingungen, um eine zukunftsfeste Aufstellung zu gewährleisten.

Quelle: spiegel.de