Gender-Sprache: Deutsche Großstadt will "Damen" und "Herren" abschaffen – In Stuttgart erwägt man, sprachlich zukünftig stärker auf die geschlechtliche Identität von Personen einzugehen. Dabei soll unter anderem der Gender-Stern (Autor*innen, etc.) zum Einsatz kommen. Auch möchte man einer Handreichung zufolge traditionelle Rollenbilder und Stereotypen vermeiden. So könnte der „Mutter-Kind-Parkplatz“ zum „Familienparkplatz“ werden.

Auch vertraute Anreden wie „sehr geehrte Damen und Herren“ sollen genderneutral formuliert und durch Konzepte wie „Liebe Menschen“ oder „Sehr geehrte Teilnehmende“ ersetzt werden. Zehn Seiten hat der Leitfaden, der sich nur als Empfehlung versteht – und eine kontroverse Debatte entfacht hat.

Susanne Eisenmann, baden-württembergische Kultusministerin, dazu gegenüber der dpa: „Da muss man sich schon fragen, ob wir keine anderen Sorgen haben.“ Angesichts der Ausschreitungen in der Stuttgarter Innenstadt, kritisiert Eisenmann auch das Grünen-Stadtoberhaupt Fritz Kuhn:

„Ich hätte mir gewünscht, dass Fritz Kuhn sich mit der gleichen Verve um die Sicherheit und die Beleuchtung am Eckensee gekümmert hätte wie um die Frage, ob man die Anrede verändern soll“, so die Kultusministerin. Das Thema der Gender-Sprache wird in vielen Ländern kontrovers diskutiert.

Jene, die diese Sprache befürworten, sehen sie als Mittel zur Gleichberechtigung zwischen Männern, Frauen und anderen geschlechtliche den Identitäten. Sprachwissenschaftler sehen diese Art der Ausdrucksweise eher als Bedrohung der Muttersprachen. Auch der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann sprach zu dem Thema von „Sprachpolizisten“ und „Tugendterror“.

Der Ministerpräsident in einem dpa-Interview: „Jeder soll noch so reden können, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.“ Stets die weibliche Form zu wählen, falle ihm nicht leicht, so Kretschmann, wenn er etwa von Polizisten und Polizistinnen spreche. Dafür bekam er Kritik in seiner eigenen Partei. Noch deutlichere Worte fand der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Manuel Hagel:

„Ich würde mir vom Koalitionspartner wünschen, dass er aus dem sprachpolitischen Elfenbeinturm heruntersteigt und sich mit den Problemen befasst, die den Menschen tatsächlich Sorgen bereiten.“ Man stecke mitten in einer Pandemie, sei nur einen Wimpernschlag von der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg entfernt.

Hagel: „Da es ist schon bemerkenswert, welches Thema bei den Grünen offenbar oberste Priorität hat.“ Grünen-Oberbürgermeister Kuhn bezeichnet die Genderregeln der Stadtverwaltung als zeitgemäße Richtschnur, wie man mit bestimmten Personen oder Personengruppen sensibel kommunizieren könne. „Sprachwandel geht nicht per Gesetz und auch nicht mit einer 'Sprachpolizei'“, so Kuhn.

Die Debatte um das Thema bezeichnete Kuhn als „überzogen“, die Handlungsempfehlungen seien Teil eines Leitfadens, der im Verwaltungsausschuss auf breite Zustimmung gestoßen war. Die Leiterin der Abteilung Chancengleichheit und Diversity der Stadt Stuttgart, Ursula Matschke, hat den Leitfaden konzipiert. Bis sich der Bund auf einheitliche Regeln für gendersensible Sprache geeinigt habe, stelle dieser eine Übergangslösung dar.

„Es ist schon ein bisschen ein Reizthema, wie sexistische Werbung“, so Matschke. „Aber es kann nicht sein, dass Minderheiten nicht zu Wort kommen dürfen.“ Neben Konzepten für gendergerechte Sprache enthält der Leitfaden Vereinfachungen der Verwaltungssprache, entfernt etwa Beschreibungen mit Binnen-I, Schrägstrich oder Unterstrich.

Quelle: sueddeutsche.de