Corona-StudienErgebnisse wecken Zweifel an Antikörper-Tests

Corona-Studien: Studien-Ergebnisse wecken Zweifel an Zuverlässigkeit von Antikörper-Tests – Neue Studien konnten nachweisen, dass die Antikörper-Konzentration bereits kurz nach einer Corona-Infektion zurückgeht. Die Ergebnisse wecken Zweifel an der Verlässlichkeit von Antikörpertests und Immunitätspässen.
Weltweit wird gerade wird die Immunantwort des Körpers auf Viren wie Sars-CoV-2 unter die Lupe genommen. Sollte sich der Abwehrmechanismus des Körpers gegen das Coronavirus künstlich aktivieren lassen, so könnten Patienten schneller genesen, eine Ansteckung möglicherweise sogar ganz verhindert werden.
Zur Erläuterung:
Unsere Körperabwehr reagiert grundsätzlich stets auf die gleiche Weise, wenn sie gefordert ist: Das Immunsystem aktiviert Antikörper, die sich an krankmachende Eindringlinge anheften und diese deaktivieren. So auch bei Sars-CoV-2, wo es dann zu relativ milden oder gar symptomfreien Verläufen kommen kann.
Je nachdem, wie so eine Infektion verläuft, kommen dabei verschiedene Antikörper zum Einsatz: Anfangs sind das sogenannte IgM-Antikörper – diese können gleich mehrere Erreger angreifen. IgA-Antikörper folgen, bis schließlich die gezielt agierenden IgG-Antikörper auftauchen, die Wochen aktiv bleiben und einen bestimmten Erreger gezielt attackieren.
Diese IgG-Antikörper sind allerdings erst Wochen nach einer Infektion verlässlich nachweisbar.
Eine Studie von Wissenschaftlern des Universitätsspitals Zürich ging der Beziehung zwischen der beschriebenen Immunantwort und der Schwere des Verlaufsgrades einer Covid-19-Erkrankung nach.
160 Corona-Infizierte wurden dafür untersucht, die entweder schwere, leichte oder gar keine Symptome gezeigt hatten. War die Infektion mild oder asymptomatisch verlaufen, so konnten die „Ersthelfer“ IgA-Antikörper in Nasenschleimhaut und Tränenflüssigkeit nachgewiesen werden, nicht aber IgG-Antikörper im Blutserum.
Das könnte etwa daran liegen, dass IgA-Antikörper das Virus schon an den Schleimhäuten stoppen konnten, wo sie vornehmlich sitzen. Es konnte sich nicht weiter im Körper ausbreiten und das Immunsystem musste keine stärkere Verteidigung wie Husten oder Fieber gegen den Erreger auffahren.
So verliefen die Fälle mild oder ganz symptomfrei, wodurch wiederum aber auch keine Langzeit-Antikörper im Blut nachweisbar waren.
Dass längst nicht alle Patienten mit milden Symptomen Antikörper bilden, ist ein Eindruck, der auch durch erste Studienergebnisse aus Lübeck unterstrichen wird. 110 Infizierte mit milden oder gar keinen Symptomen wurden untersucht – bei 30 Prozent konnten keine Antikörper nachgewiesen werden, die auf eine Corona-Infektion mit dem neuen Virus hinwiesen.
Unklar ist, ob Betroffene Schutz vor einer erneuten Infektion genießen. Zwar konnte ihr Körper das Virus abwehren, ohne dabei schwere Geschütze wie Langzeit-Antikörper aufzufahren. IgA-Antikörper, die in den Schleimhäuten von jüngeren Menschen in erhöhter Konzentration vorhanden sind, scheinen also eine Schutzwirkung zu haben.
Andere Studien zeigen jedoch auf, dass auch die Virenmenge entscheidend sein könnte.
Die Gefahr für einen schweren Verlauf steigt demnach, wenn man auf engstem Raum einer besonders großen Menge Viren ausgesetzt ist, beispielsweise durch Niesen im Fahrstuhl direkt ins Gesicht.
Trotzdem vermuten die Experten, dass für eine gewisse Zeit Immunität auch bei asymptomatischen Verläufen der Fall ist. So konnten bei asymptomatisch Infizierten auch bei anderen Analysen IgG-Antikörper im Blut nachgewiesen werden. Diese weisen auf eine mögliche Immunität hin.
Chinesischen Wissenschaftlern zufolge, die ihre Ergebnisse unlängst im Fachblatt „Nature Medicine“ veröffentlichten, sank die Konzentration dieser Antikörper allerdings zwei bis drei Monate nach der Infektion – auch bei Patienten, die schwere Symptome gezeigt hatten.
Es steht jedoch nicht fest, ob dies bedeutet, ob sich Betroffene nach einigen Monaten abermals mit Corona anstecken könnten. Die Studienergebnisse der chinesischen Forscher basieren lediglich auf den Daten von 74 Patienten, zudem sind wahrscheinlich auch andere Mechanismen des Immunsystems für die Abwehr relevant.
Bislang gibt es keinen Fall eines nachweislich an Covid-19-Erkrankten, der sich nur wenige Monate nach seiner Infektion abermals mit Corona infiziert hätte. Offenbar erkennen die Gedächtniszellen des Immunsystems das Virus wieder und wehren es im Falle einer zweiten Infektion ab.
Die Untersuchungsergebnisse wecken allerdings Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antikörpertests, von denen hierzulande mehrere Massendurchführungen geplant sind.
Infektionsdunkelziffern sollen mit den Tests aufgezeigt werden. Infizierte, die diese Antikörper gar nicht oder nur in geringem Maße gebildet haben, sodass sie nicht nachweisbar sind, könnten solche Testergebnisse allerdings verfälschen.
Die von Gesundheitsminister Jens Spahn erwogenen Immunitätspässe könnten damit ebenfalls wenig aussagekräftig sein. Sie basieren darauf, dass Personen, die einen positiven Antikörper-Nachweis erbringen, wieder größere Freiheiten von den Corona-Maßnahmen genießen, weil sie niemanden mehr anstecken können.
Die neuen Forschungsergebnisse könnten allerdings bedeuten, dass beileibe nicht jeder diese Antikörper im Blut hat– auch dann nicht, wenn die Person eine Corona-Infektion bereits überstanden hat. Doch auf genau diese Antikörper im Blut springen die Tests an.
„Zusammengenommen zeigen unsere Daten, mit welchem Risiko die Benutzung solcher Immunitätsausweise einhergeht“, so die Wissenschaftler aus der chinesischen „Nature Medicine“-Studie. „Das spricht für die Notwendigkeit, Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu verlängern, wie soziale Distanz, die Isolierung von Risikogruppen und weit verbreitete Tests.“
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Quelle: spiegel.de