Corona-Krise: Spahn droht Riesen-Klage – Zu Beginn der Corona-Krise orderte ein Logistikunternehmen aus Düsseldorf Millionen von Masken. Doch diese wurden vom Bundesgesundheitsministerium gar nicht angenommen und auch nicht bezahlt. Entsprechend wird nun Klage eingereicht. Eine FDP-Politikerin verlangt mit Nachdruck, zu erfahren, wie viel der Steuerzahler letztlich für diesen Fauxpas bezahlen darf.

Mitten im zweiten Corona-Lockdown müssen sich mittelständische Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen, wie sie mit den gewaltigen Millionenbeträgen für den ersten Schwung an Mund-Nasen-Schutz umgehen sollen, den das Bundesministerium mit Beginn der ersten Corona-Welle geordert hatte. So ist etwa das Düsseldorfer Unternehmen ILTS-Forwarding-Trans & Trade GmbH betroffen. 

Dessen Geschäftsführerin Handan Celebi verlangt 87,4 Millionen Euro vom Ministerium. Der Grund: Man hatte im März 2020 24 Millionen Masken aus China bestellt und im April geliefert. Doch das Ministerium habe „aufgrund von Platzmangel“ den Großteil der Ware (98 Prozent) abgewiesen. Seitdem muss das Unternehmen die Masken einlagern. 70 Lastwagen mit Kisten voller Masken habe man nach Berlin geliefert.

Dort sei aber nur ein Lkw entladen worden, alle anderen habe man zurückgeschickt.

Dabei habe man sich, so Celebi, streng an eine Ausschreibung und Vereinbarung mit dem Ministerium gehalten. Die Geschäftsführerin dazu: „So kann man nicht zusammenarbeiten. Ich muss mich in meinen Geschäften doch auch an Verträge halten.“ Vonseiten des Ministeriums gebe es auch keinerlei Kommunikation, ebenso wenig wie von der von diesem eingeschalteten Unternehmensberatung EY.

Rechtsanwalt Christian Lüpke wurde von dem Unternehmen betraut. Der Jurist attestierte, dass das Bundesgesundheitsministerium die Ware „weder abgenommen noch bezahlt“ habe. Sämtliche Nachfragen liefen ins Leere. Lüpke: „Darum reichen wir jetzt Klage ein.“ Aufgrund des hohen Streitwerts und des Gegners sind gleich mehrere Kanzleien an dem Prozess beteiligt.

"Schwächt das Vertrauen von Unternehmen in den Staat"

Auch die FDP-Bundestagsfraktion hat sich nun zu dem Fall gemeldet. Eine Kleine Anfrage wurde an die Bundesregierung gesichtet, diese liegt dem „Focus“ exklusiv vor. Die Anfrage dreht sich konkret um „Kosten von Vertragspflichtverletzungen der Bundesregierung für den Steuerzahler“. Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Hessel, die als Vorsitzende des Finanzausschusses fungiert, kritisierte das Bundesministerium scharf.

Gegenüber „TheEuropean“ sagte Hessel zu dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geführten Ministerium: „Ein solches Verhalten in einer Notsituation schwächt das Vertrauen von Unternehmen in den Staat als verlässlicher Vertragspartner. Das kann dazu führen, dass beim nächsten Mal sich die Unternehmen sagen: Die Regierung bezahlt die Ware nicht, also liefere ich nichts mehr. Und wenn wir dann wirklich Masken oder auch anderes medizinisches Material schnell und zuverlässig brauchen, gibt es niemand, der liefern will.“

Tatsächlich offenbarte die Firma ILTS, dass die Gerichtskosten allein für das Unternehmen bereits 300.000 Euro betragen werden, Anwaltskosten in fünf- bis sechsstelliger Höhe nicht dazugerechnet. Zugleich aber beteuert die Bundesregierung seit Beginn der Corona-Krise, während der schwierigen Zeiten besonders die Hand über den Mittelstand zu halten. Doch Betroffene wie Handan Celebi sehen das anders.

Aus diesem Grund haben Hessel und ihre Kollegen von der FDP-Fraktion ihre vierseitige Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Darin erkundigen Sie sich, warum die bestellte Ware (die Masken haben ein Mindesthaltbarkeitsdatum von zwei Jahren) „bisher weder abgenommen noch bezahlt“ worden sei und ob das Ministerium Vertragsverletzungen, Sachmängel etc. geltend“ mache.

Hessel zur Lage: „Die Klagen von Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, häufen sich schon seit Jahren: Die öffentliche Hand bezahlt ihre Rechnungen sehr, sehr spät und viele Unternehmen gehen daran kaputt, weil sie in Vorleistung gehen müssen.“ Hessel betonte: „In einer „Ausnahmesituation wie jetzt sollte die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und schnell bezahlen.“

Die FDP-Bundestagsabgeordnete weiter: „Wenn man in einer Situation, in der die Wirtschaft eh schon am Boden liegt, den Zulieferern keine andere Wahl lässt, als ihr Geld über die Gerichte einzuklagen, zeigt das, wie weit diese Regierung sich von der Wirtschaft entfernt hat, die auch jetzt dafür sorgt, dass wir – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – immer noch gut versorgt sind: von Masken über Lebensmittel bis zu Notfallausrüstungen bei Krankenhäusern.“

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Quelle: focus.de