Corona-Krise: Sonderbriefing des RKI zur aktuellen Lage – Nachdem es eigentlich hieß, die Pressebriefings des RKI seien mit Blick auf die positive Entwicklung ausgesetzt, trat Prof. Dr. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch Institutes, überraschend abermals vor die Kamera.

Anlass ist der erneute Anstieg der Reproduktionszahl in Deutschland, also des Faktors, der angibt, wie viele andere Menschen ein Infizierter mit dem Corona-Virus ansteckt.

Dem voraus ging wie üblich zunächst ein statistischer Überblick über die epidemiologische Situation in Deutschland und der Welt.

An den globalen Hotspots hat sich nichts geändert. Nach wie vor stehen insbesondere Nordamerika, Brasilien und Europa im Mittelpunkt der Pandemie. Mittlerweile sind mehr als 4 Millionen Fälle weltweit bekannt und gemeldet worden.

In Deutschland wurden bisher insgesamt 170.508 Covid-19 Fälle an das RKI übermittelt. In der letzten Woche kamen täglich rund 700 bis 1000 neue Fälle hinzu, ein Trend, der sich auch am letzten Wochenende und am gestrigen Tag im vergleichbaren Maße fortgesetzt hat.

147.200 Menschen gelten hierzulande als genesen, 7533 sind verstorben. Der Anteil der Verstorbenen ist in den letzten Wochen kontinuierlich gestiegen und liegt aktuell bei 4,4 Prozent.

Nach diesen Zahlen ging Schaade auf die Reproduktionszahl R ein, deren Anstieg in den letzten Tagen immer wieder mit großer Sorge in den Medien aufgegriffen wurde. Seit Samstag liegt der Wert wieder leicht über 1, was das RKI zu dem erneuten Briefing veranlasst habe.

Schaade betont, dass es sich bei der Reproduktionszahl lediglich um einen Faktor handelt, um die Dynamik der Corona-Krise zu ermitteln. Zudem seien tagesaktuelle Schwankungen aufgrund verzögerter Meldungen möglich.

Wichtig neben R sei vor allem auch die Anzahl der Neuinfektionen sowie die Anzahl der positiv ausgefallenen Tests zur Beurteilung der Gesamtsituation.

Um nun zu beurteilen, ob und welche härteren Maßnahmen nötig seien, ist des Weiteren die aktuelle Schwere der Erkrankung mit Blick auf die Todesfälle, sowie die Be- und Auslastung des Gesundheitswesens von entscheidender Bedeutung.

Schaade geht im Folgenden auf die Berechnung der Reproduktionszahl ein und weist abermals auf die um Tage verzögerte Meldung seitens der Gesundheitsämter hinsichtlich der Fallzahlen an das RKI hin. Zudem werden an Wochenenden weniger Fälle gemeldet, da die Menschen schlicht weniger zu Arzt gingen.

Ergo kämen die Daten naturgemäß erst Tage nach dem Erkrankungsdatum an. Nun spiegelt aber eben jenes den Verlauf der Epidemie am besten wieder.

„Um nun ein möglichst realistisches Bild des Epidemieverlaufs zu erhalten, müssen wir die Lücken, die es durch den genannten Übermittlungsverzug und die fehlenden Angaben des Erkrankungsbeginns gibt, in einem Modell durch Schätzung auffüllen“, erklärt Schaade und geht weiter auf das „Nowcasting“ genannte Modell ein, auf dessen Grundlage die Reproduktionszahl berechnet wird.

„Wichtig zu wissen: Diese Reproduktionszahl ist nicht tagesaktuell, sondern bildet die Infektionsraten von vor etwa anderthalb Wochen ab.“

Alles in allem bezieht sich der heutige R-Wert auf Infektionen, die etwa im Zeitraum vom 28.04. bis 03.05. stattgefunden haben, und ist grundsätzlich mit statistischen Unsicherheiten behaftet.

Als Gründe, weshalb der R-Wert trotz scheinbar sinkender Fallzahlen in den letzten Tagen angestiegen ist, nennt Schaade, dass die Neuerkrankungen der letzten Tage nicht in die Berechnungen einbezogen werden können, dafür aber geschätzte Fälle einfließen, die so gar nicht eintreffen müssen.

Drittens werden die Fallzahlen in Deutschland langsam kleiner, weshalb einzelne Ausbrüche die R-Zahl stärker ansteigen lassen. Zudem waren in der letzten Zeit mehrere große Ausbrüche zu verzeichnen. Sind diese Ausbrüche unter Kontrolle, kann der R-Wert wieder sinken.

„Der Abfall der Fallzahlen wird zunehmend flacher und wir nähern uns einem Plateau der täglichen Fallzahlen an. Das bedeutet, dass die Reproduktionszahl auch künftig um 1 herum schwanken kann und wir müssen ihren Verlauf weiter beobachten.“

Um die Schwankungen ausgeglichener darzustellen, will das RKI künftig auch einen geglätteten R-Wert ausweisen. In der vergangenen Woche lag dieser an keinem Tag über 1.

Das ausführliche Briefing findet ihr im folgenden Video.

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