Corona-Krise: Brauereien müssen Fassbier vernichten – Kaum eine Branche, die von der Corona-Pandemie nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. In Zeiten, in denen gemütliches Zusammensein zur Gefahr geworden ist, trifft es die Brauereien ganz besonders hart, heißt es in der Branche doch „Bier braucht Geselligkeit.“

In Folge des Lockdowns bleiben die 1.500 Brauereien ein Deutschland auf ihrem Bier sitzen. Die Sprecherin der Radeberger-Gruppe, Birte Kleppien, klagte in einem Interview mit ntv.de:

„Wir haben, grob gesagt, in der Brauwirtschaft drei Absatzkanäle. Das ist die Gastronomie, das ist das sogenannte Fest- und Eventgeschäft und das ist der Handel. Von diesen drei Absatzkanälen sind zwei von jetzt auf gleich durch behördliche Anordnung geschlossen worden. Darauf konnten wir uns nicht vorbereiten und das wird schmerzhafte Auswirkungen für alle Brauereien haben.“

Die Tatsache, dass der für die Brauer immens wichtige Gastronomie-Markt seit geraumer Zeit keine Umsätze machen konnte, und nach wie vor auf eine Lockerung warte muss, wirft düstere Schatten.

Holger Eichele vom Deutschen Brauer-Bund: „Wir erleben einen fatalen Domino-Effekt: Der Flächenbrand in der Gastronomie springt zunehmend auf die Brauwirtschaft über.“

Bis zu 90 Prozent der Umsätze hätten manche Brauereien vor der Krise über die Gastronomie erzielt. Eine große Insolvenz-Welle scheint mit Blick drauf nur eine Frage der Zeit zu sein.

Problematisch zudem, dass die Bierbrauer nicht wie andere Branchen auf einen Nachhol-Effekt hoffen können. Einen geplanten Laptop kauft man sich halt ein paar Monate später, die verpassten Anlässe zur Geselligkeit lassen sich indes nicht einfach so nachholen.

„Das bedeutet, diese Absätze sind unwiederbringlich für alle Brauer verloren. Und das sind dramatische Einschläge, die wir alle aushalten müssen“, resümiert Kleppien.

Neben den großen Unternehmen am Markt sind die kleineren Privatbetriebe in einem besonderen Maß betroffen. So auch die Privatbrauerei Schwerter Meißen in Sachsen, die zig Volksfeste und Gastronomen in der Region mit Fassbier beliefert. Aktuell undenkbar.

Gegenüber ntv.de fasst Marketing-Leiter Norbert Rogge das Dilemma zusammen:

„Fassbier macht bei uns in normalen Jahren etwa 30 Prozent des Umsatzes aus. Fassbier steht für hohe Deckungsbeiträge, ein hoher Anteil ist also sehr gut für eine Brauerei. Im Moment läuft Fassbier gegen null. Mittlerweile kämpfen wir auch schon mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Das heißt, wir werden Fassbier vernichten müssen.“

Angekündigte Lockerungen für die Gastro sollten optimistisch stimmen, doch Rogge fragt sich:

„Was passiert nach dem Lockdown, wird die Gastro-Branche und damit ja auch unsere Branche jemals wieder so sein wie vor der Krise?“

Kleppien widmet sich indes eher der Frage nach dem WIE: 

„Wir müssen über diese Durststrecke hinwegkommen und danach sehen: Wie schnell wird sich der Absatz erholen, wie stark kommt er überhaupt zurück, wie hart wird der Wettbewerb im Markt? Das sind die wesentlichen Fragen.“

Die Branche habe es ohnehin schon seit geraumer Zeit nicht leicht, beziehungsweise sei – um es mit Kleppiens Worten zu sagen – „insgesamt nicht auf Rosen gebettet“. Der Markt ist langfristig rückläufig. Zwar gebe es immer mehr Brauereien, doch der Absatz sinkt in diesem Jahrtausend kontinuierlich. Und nun auch noch Corona.

Die Folgen lassen sich nicht schwer abschätzen, es ist jedoch davon auszugehen, dass nicht eine einzige der über 1.500 deutschen Brauereien in diesem Jahr Gewinn einfährt.

Birte Kleppien: „Einige erwarten einen Absatzrückgang im Inland von 10 bis 13 Millionen Hektolitern. Das wären mal eben 15 Prozent des normalen Gesamtabsatzes.“

Und auch auf den Export ist kaum zu setzen, ist dieser doch zuletzt im März um ganze 14 Prozent eingebrochen. Bliebe noch der Handel, in dem es momentan tatsächlich gut läuft.

Dem Deutschen Brauer-Bund zufolge ist das aber kein Grund zum Durchatmen: „Bei uns ist es so, dass etwa zwei Drittel unserer Biere in Supermärkten und Getränkemärkten verkauft werden. Aktuell sind das etwa zehn Prozent mehr als in den eh schon starken beiden Vorjahren. Das ist sicher auch mit fehlenden Gastronomie-Umsätzen zu erklären. Die Kunden decken sich also etwas mehr über die Handelsketten ein.“

Zudem führt der erhöhte Absatz im Handel ein weiteres Problem zutage: einen Mangel an Leergut. Den hat man auch im Hause Radeberger zu beklagen:

„Das ist zwar immer Mangelware bei uns in der Branche, aber aktuell ganz besonders. Viele Menschen kaufen ihr Bier auf Vorrat, lagern es also erstmal ein und sagen sich: Was ich habe, habe ich. Das heißt, wir bekommen nochmal deutlich weniger Leergut zurück als sonst. Wir sind an unseren Standorten zwar noch technisch lieferfähig, aber die Situation verschärft sich.“

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Quelle: n-tv.de