Aufruf an ARD und ZDF: Sprachwissenschaftler stellen sich gegen Gendersprache – Geht das Gendern beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) zu weit? Offenbar schon, denn wie „Bild“ berichtet, haben rund 90 Sprachwissenschaftler und Philologen einen Aufruf gegen die „Gendersprache“ unterschrieben. Darunter Mitglieder des Rates für deutsche Rechtschreibung, der Gesellschaft für deutsche Sprache und des PEN-Zentrums sowie etliche renommierte Sprachwissenschaftler.

Als Initiator fungiert der Germanist Fabian Payr, der gegenüber „Bild“ erklärte: 

„ARD und ZDF sollten die Sprachwissenschaft zur Kenntnis nehmen.“

Payr kritisiert, dass die Sender sich anlässlich entsprechender Diskussionen stets von einzelnen Befürwortern die gewünschte Meinung liefern lassen, die Berichterstattung „vielfach tendenziös“ sei und im Wesentlichen der Legitimation des eigenen Genderns diene.

Wer sich wiederum gegen das Gendern ausspricht, werde als reaktionär, unflexibel und frauenfeindlich abgestempelt. Hinzu käme: „Mit dem Gendern senden sie völlig am Publikum vorbei. Umerziehung hat mit dem Programmauftrag nichts zu tun.“

Payr zufolge handle es sich beim Gendern um eine Kunstsprache, die auch im Bereich der Sprachwissenschaften Befürworter gefunden habe. Der Germanist betont jedoch:

„Diese können nicht für die Wissenschaft allgemein sprechen. Aber sie sind politisch aktiver und lauter. Dem wollen wir uns entgegenstellen, um deutlich zu machen, dass es in der Sprachwissenschaft keinen Konsens für das Gendern gibt. Trotzdem wird manchmal dieser Eindruck erweckt.“

„Jetzt formiert sich Widerstand auch in der Wissenschaft!“

Da die Gendersprache „mit moralisierendem Gestus“ verbreitet werde, warnt Payr: „Das Gendern sorgt für erheblichen sozialen Unfrieden, spaltet die Gesellschaft.“

Den Experten zufolge sei die Sprachverwendung der ÖRR „Vorbild und Maßstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern“, woraus die Verpflichtung erwachse, sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache „regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei“ umzugehen.

Im Aufruf wird betont, dass Umfragen zufolge die klare Mehrheit von über drei Viertel der Medienkonsumenten den gewohnten Sprachgebrauch bevorzuge, was der ÖRR nicht einfach so ignorieren dürfe.

Dazu argumentieren die Sprachwissenschaftler fachlich, gebe es im Deutschen doch einen Unterschied zwischen Genus und Sexus, also dem grammatischen und natürlichen Geschlecht. Demzufolge sei etwa auch „die Person“ nicht automatisch deshalb weiblich, weil ein weiblicher Artikel voransteht.

Und so wird vonseiten der Experten eine „kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage“ gefordert. Nicht zuletzt auch aus Sorge um die Wissenschaft selbst.

Payr erklärt: „Aus den Reihen der Identitätspolitik werden Prinzipien der Wissenschaft infrage gestellt. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen immer einer Überprüfung standhalten. Das ist geradezu das Wesen der Wissenschaft.“

„Wir müssen zum sachlichen und wissenschaftlichen Kern der Debatte zurückkehren und nicht ständig von einer moralischen Ebene aus argumentieren.“

So gehe es „identitätspolitisch motivierten Aktivisten“ häufig nur um „individuelle Befindlichkeit“: „Mit Gefühlen kann man aber keine Wissenschaft betreiben, da braucht es Argumente und kritische Überprüfung. Sonst verlässt man den Boden der Wissenschaft.“

Außerdem drohe eine „Sexualisierung der Sprache“ und damit eine einhergehende permanente „Betonung von Geschlechterdifferenzen“, was das eigentliche Ziel der Geschlechtergerechtigkeit sogar konterkariere.

Schon zuvor hatte der Rat für Deutsche Rechtschreibung klargestellt, dass Gender-Sonderzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt oder Unterstrich nicht dem amtlichen Regelwerk entsprechen, beeinträchtigen diese doch Formen der Verständlichkeit sowie Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten.

Dass der ÖRR die geltende amtliche Rechtschreibung missachte, sei „nicht mit dem im Medienstaatsvertrag formulierten Bildungsauftrag der Sender vereinbar“.

Hinzukäme, dass man mit dem Gendern den Boden der politischen Neutralität verlasse, auf dem zu verweilen alle Sender gemäß Medienstaatsvertrag verpflichtet seien. Schließlich stamme die Gendersprache ursprünglich aus der feministischen Linguistik und werde heutzutage „vorrangig von identitätspolitisch orientierten universitären Gruppierungen rund um die Social-Justice-Studies vorangetrieben“.

Es handle sich damit um eine „ideologisch begründete Sprachform“ zu welcher der Gebühren-Rundfunk kritische Distanz wahren müsse.

Auf Anfrage der „Bild“ erklärte die ARD, dass das Thema in den Rundfunkanstalten „durchaus unterschiedlich diskutiert und gehandhabt“ werde. Auch beim ZDF stehe es den Moderatoren frei, zu gendern.

Dass ein Großteil des Publikums damit nicht konform geht, bewies kürzlich ausgerechnet eine Debatte im Bayerischen Rundfunk.

Anlässlich des „Diversity Talk 2022“ sollte eine Schulklasse über das Gendern abstimmen und entschied sich mehrheitlich dagegen, was zu sichtlichem Unmut bei der Moderatorin Claudia Stamm führte.

Germanist Payr prophezeit: „Das Gendern wird sich gegen den Willen der großen Mehrheit der Gesellschaft nicht durchsetzen. Der Widerstand wächst – die Menschen wehren sich zunehmend gegen diese Belehrungssprache. Und es werden zunehmend auch Stimmen aus den Reihen der Wissenschaft lauter, die sich gegen das Gendern stellen.“

Quelle: bild.de