StudieAlkohol verändert Zell-Zwischenräume im Gehirn

Studie: Alkohol verändert Zell-Zwischenräume im Gehirn – Wissenschaftlern ist es nun gelungen, eine bis dato nicht bekannte Auswirkung des Alkohols auf das menschliche Gehirn zu entdecken. Diese könnte ein Schlüssel dazu sein, zu erläutern, warum Alkohol süchtig macht – und bei der Suchtprävention helfen.
Denn sein Belohnungseffekt ist vergleichsweise gering – dennoch macht der Alkohol stark abhängig: „Alkohol hat die Fähigkeit, neurologische Anpassungen auszulösen, die die Bildung starker Konsumgewohnheiten und einer Abhängigkeit fördern und daher oft zu Alkoholismus führen“, so Silvia De Santis von der spanischen Universität Miguel Hernández.
„Wie der Alkohol trotzdem seine potente Suchtwirkung entfaltet, ist ein bislang kaum verstandenes Rätsel“, betonen die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen. Einer der möglichen Ursachen ging das Team auf den Grund: Demnach kann Alkohol die graue Hirnsubstanz und ihre Zwischenwände auf eine Weise verändern, die suchtfördernd wirken könnte.
Dabei könnte sich die Konzentration des Hirnbotenstoffs Dopamin ebenso wie dessen Beweglichkeit verändern. Dieser Stoff steht im Zentrum von Belohnungseffekten und löst bei Süchtigen jene Zufriedenheit und Glücksgefühle aus, die mit der Stellung ihrer Abhängigkeit einhergehen.
Dabei wird Dopamin nicht nur über die Synapsen der Nervenzellen weitergegeben. Der Neurotransmitter verteilt sich auch in den Zellzwischenräumen – über Diffusionsprozesse, wie man aus Untersuchungen weiß.
Der Studien-Coautor Wolfgang Sommer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim erläutert: „Erhöhte Diffusion im Extrazellularraum mögen als sehr unspezifische Wirkmechanismen für eine Droge erscheinen. Dadurch werden aber eine Vielzahl von Kommunikationsprozessen im Gehirn beeinflusst.
Besagter Raum ist eine Ansammlung flüssigkeitsgefüllter Hohlkörper und Kanäle zwischen den Hirnzellen. Das Team ging der Frage auf den Grund, was dauerhafter Alkoholkonsum mit diesem Raum anstellt. Dazu nahmen sie nicht nur chronische Alkoholiker in Augenschein, sondern auch Ratten, denen sie einen Monat lang Alkohol verabreichten.
Mit bildgebenden Verfahren konnten sie nachweisen, wie sich Wassermoleküle in diesem Extrazellularraum verhielten.
Auch gaben sie Kontrastmittel, um bei den Ratten zwischen den alkoholabhängigen Tieren und gesunden Tieren aus einer Kontrollgruppe Unterschiede aufzuzeigen. So kamen sie den Veränderungen auf die Schliche:
„Sowohl bei den alkoholtrinkenden Tiere wie den alkoholkranken Patienten zeigen unsere Ergebnisse eine weitreichende Erhöhung der Diffusion in der grauen Hirnsubstanz“, konstatieren die Experten. „Unseres Wissens nach ist dies das erste Mal, dass Diffusionsänderungen im Gehirn von Alkoholikern untersucht und festgestellt wurden.“
Der Alkohol verändere demnach auch die Struktur des extrazellulären Raums, auch die sogenannten Mikrogliazellen, die seine Form beeinflussen: „Nach chronischer Alkoholexposition reagieren diese Immunzellen des Gehirns, sie schrumpfen und ziehen ihr dichtes Geflecht aus Fortsätzen zurück“, erläutert einer der Experten des Teams.
„Durch den Wegfall von Barrieren ändert sich die Geometrie des Extrazellularraums und es ergeben sich neue Diffusionswege.“ Die Folge: Das besagte Dopamin kann sich stärker im Gehirn verbreiten. Dies könnte den Wissenschaftlern zufolge einen ersten Erklärungsansatz dafür liefern, wieso Alkohol trotz geringer Belohnungseffekte dennoch langfristig abhängig macht.
Er verändere das Gehirn auf eine Weise, die die Ausbreitung des Dopamins erleichtert und dieses in Wirkung und Konzentration verstärkt. Das Fazit der Experten fällt entsprechend eindeutig aus:
„Die im Laufe der Zeit erhöhte Neurotransmitter-Konzentration, kombiniert mit einem verlangsamten Abbau an den Synapsen, könnten dazu beitragen, die eher schwach belohnenden Eigenschaften des Alkohols zu der machtvollen Gewöhnungswirkung zu machen, die einige Menschen dann in die Sucht führt.“
Falls sich die Theorie der Wissenschaftler bewahrheiten sollte, könnte dies der Medizin und der Suchttherapie neue Wege aufzeigen, wie die Menschheit der Geißel der Alkoholsucht zu Leibe rücken könnte.
Quelle: wissenschaft.de