AutoverkehrMaximal 90 PS für Fahranfänger?

Maximal 90 PS für Fahranfänger? – Immer wieder kommt es durch Fahranfänger, die sich selbst und ihre Geschwindigkeit weit über- bzw. unterschätzen zu tödlichen Verkehrsunfällen. Als besondere Hochrisikogruppe gelten junge männliche Fahranfänger, wie Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) betont. Auf dem 58. Deutschen Verkehrsgerichtstag (VGT) setzten sich Experten in Goslar in der Woche vom 29. bis 31. Januar 2020 mit dem Thema auseinander.
Dort wurden auch mögliche Änderungen für die Führerscheinprüfung besprochen. Der Grund: Der Anteil der durch die Prüfung rasselnden Fahrschüler ist hoch, ganze 35 Prozent waren es im Jahr 2018 praktisch, bei der Theorie sogar 39 Prozent. Einen möglichen Grund sieht DVR-Sprecherin Julia Fohmann darin, dass ein Auswendiglernen der Regeln angesichts der Komplexität der theoretischen Prüfung oft nicht mehr reiche.
Zudem seien Straßen heutzutage immer voller und das komplexe Verkehrsgeschehen schwieriger geworden, wie der Sprecher des Auto Clubs Europa (ACE) Sören Heinze betont. Siegfried Brockmann ist überzeugt, dass die Ausbildung selbst sich „auf einem guten Stand“ befindet, allerdings seien „ergänzende Maßnahmen“ nötig.
Eine davon, die jungen Fahranfängern helfen könnte: eine längere Probezeit
Eine speziell eingerichtete Projektgruppe bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) würde die Probezeit gerne von zwei auf drei Jahren erhöhen – zu verkürzen, indem Fahranfänger auf freiwilliger Basis an qualifizierenden Maßnahmen wie begleitetem Fahren teilnähmen: „Eine Verlängerung der Probezeit trägt der Tatsache Rechnung, dass auch Pkw-Fahrer ab 21 bis 24 Jahren immer noch ein statistisch höheres Unfallrisiko aufweisen als erwachsene Pkw-Fahrer ab 25 Jahren“, unterstreicht Unfallforscher Brockmann. „Deshalb wäre auch eine Ausweitung der Null-Promille-Grenze auf diese Altersgruppe sinnvoll.“
Brockmanns Vorschlag, um insbesondere das Unfallrisiko von Fahranfängern zu minimieren: „Da vor allem in der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen das Anfänger- und das Jugendlichkeitsrisiko eine unheilige Allianz bilden“, halte er eine Leistungsbegrenzung der Kfz-Motoren für diese Gruppe auf 66 Kilowatt beziehungsweise 90 PS für sinnvoll. „Damit würde vor allem den jungen Männern der Kick genommen, stark zu beschleunigen oder sehr schnell zu fahren.“
Wie genau die Umsetzung einer solchen Maßnahme in der Praxis aussehen könnte, dazu machte Brockmann keine Angaben.
Eine mögliche Antwort könnten elektronische Drosselungen sein, wie beispielsweise Ford sie mit dem System „MyKey“ im Gepäck hat
Bei einigen Modellen des Herstellers kann der Zündschlüssel auf die jeweiligen Benutzer wie junge Familienmitglieder einfach eingestellt und damit der Wagen auf eine Höchstgeschwindigkeit, leisere Radio-Einstellungen oder schwächere Beschleunigung limitiert werden.
Laut Verkehrssicherheitsrat könnten auch sogenannte Feedback-Fahrten nützlich sein, bei denen Fahranfänger Verkehrsexperten alle paar Wochen als kommentierende, beratende Begleiter mit an Bord haben und gemeinsame Ziele der Fahrsicherheit festgelegt werden, um so den Anreiz zu erhöhen, „sich regelkonform zu verhalten“.
Auch die deutschen Automobilclubs halten Maßnahmen für Fahranfänger für sinnvoll
Der ADAC stimmt dem Konzept von Feedback-Fahrten zu, um dem Fahranfänger die eigenen Fähigkeiten objektiv widerzuspiegeln. Für ein vorgeschriebenes Sicherheitstraining nebst Feedback-Fahrten und zweiter Führerscheinausbildung spricht sich der Automobilclub von Deutschland (AvD) aus, ebenso wie der deutsche Anwaltsverein (DAV). Fahranfänger sollten demnach an Sicherheitsfahrtrainings teilnehmen, was helfen könnte, „dass eine gewisse Selbstüberschätzung abgebaut wird“, wie DAV-Verkehrsanwalt Matthias Köck unterstreicht.
Auch das begleitete Fahren ab 16 wurde vom Verkehrssicherheitsrat wieder zum Thema erhoben: „Mit einem früheren Einstieg in die Begleitphase könnten die Jugendlichen mehr Fahrerfahrung sammeln“, betont Sprecherin Fohmann. AvD und ADAC begrüßen diesen Vorstoß für eine Verlängerung des Lernzeitraums bei gleichzeitiger Senkung des Anfängerrisikos.
Quelle: focus.de/